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38 Destillerien in 6 Tagen

Was klingt wie eine Challenge, eine mutige Herausforderung oder eine Wettlauf gegen die Zeit, ist in Wahrheit – Urlaub. Doch nicht irgendein Urlaub, sondern der von unserem Lehrer. Genauer gesagt, von unserem Lieblingslehrer.

In jedem Team gibt es den oder die einen/eine. Bei uns ist es unser Lehrer. Seine Gedankengänge sind ab und zu nicht nachvollziehbar, realitätsfremd und doch, einen Funken Wahrheit findet sich immer. Eventuell liegt es daran, dass er recht hat oder aber so lange argumentiert, dass man ihm recht gibt. In jedem Fall: Wir lieben ihn, mit all seinen Marotten.

Die hier doch eher ungewöhnliche Reiseplanung hat ihren Ursprung bei uns im Geschäft genommen. Sicher haben Sie bereits bemerkt, dass wir im Online-Shop beinahe bei allen Whiskys Informationen zu den Destillerien haben. Diese sind nicht einfach copy paste, sondern hart erarbeitet, recherchiert, gewissenhaft dokumentiert und werden laufend überarbeitet, angepasst, aktualisiert. Dieser ehrenwerten Arbeit hat sich unser Lehrer angenommen.

Bei einigen fehlen uns einzelne Angaben. Andere sind bildlich nicht dokumentiert. Schade – müsste man doch mal – aber wer hat schon Zeit und Musse.
Lesen Sie selbst den durchgetakteten Reisebericht:

Tag 1: Dufftown – Der Beginn einer Reise ins Speyside-Mekka

Ankunft in Edinburgh und nach drei Stunden Autofahrt bin ich in Dufftown – dem Mekka der Speyside. Schon allein in diesem Dorf sind acht Destillerie-Einrichtungen zu finden – zwei davon sind aber geschlossene Brennereien.

Tag 2: Erkundungen und Einblicke: Vergangenheit und Gegenwart der Speyside-Destillerien

Als erstes fahre ich zu Pittyvaich – eine Destillerie in Dufftown, die nur von 1974 bis 1993 als Schwesterdestillerie zur Dufftown Distillery (die eine der «Singleton»-Produzenten ist) betrieben wurde. Sie wurde 2002 abgerissen. Entsprechend fotografiere ich das leere Gelände, auf der sie stand bzw. die Warehouses und andere (neue) Einrichtungen, die seit dann entstanden sind.
Meine erste Tour soll in Keith bei Strathisla beginnen. Vorher begebe ich mich an den Fluss Isla, an dem auch die Strathmill Distillery steht – nicht öffentlich. Anschliessend geht es zur Chivas Regal-Destillerie Strathisla, wo ich zu einer Privat-Tour komme. Es ist Ende Januar und kaum andere Touristen sind zugegen. Ein Grund, um in jener Jahreszeit Schottland für sich zu geniessen.
Von Strathisla aus sieht man über den Isla hinweg zur Glen Keith Distillery. Eine Rohrleitung führt von der einen Destillerie über den Bach zur anderen. Eine Art Zusammenarbeit? Ja, Glen Keith übernimmt über-schüssigen Dampf von Isla, um ihrerseits die Wärme in ihren Produktionsschritten zu nutzen – und umgekehrt.
Von Keith gelange ich zu Crooksmill, ein paar Kilometer westlich gelegen. Von 1827 – 1834 wurde dort destilliert. Seit bald 20 Jahren steht auf jenem Gelände ein Eigenheim. Zu sehen ist vom altem Mauerwerk der ehemaligen Destillerie nichts mehr.
Am frühen Nachmittag besuche ich Glen-Allachie; erst seit bald 5 Jahren für die Öffentlichkeit zugänglich. Danke, Billy Walker! Ich kriege vor Ort noch den Hinweis, dass bei Glenlivet mehrere Fässer zum Abfüllen bereitstünden. Okay, nichts wie los – zur Glenlivet Distillery.
Ich fahre zur Auchorachan Farm. Seit 170 Jahren steht auch dort keine Destillerie mehr. Aber: Der Besitzer ist erstaunt, dass überhaupt jemand auf sein Gelände kommt, um danach Ausschau zu halten. Er erklärt mir nett, wo was stand und führt mich zum Gebäude, in welchem einmal eine Mühle gearbeitet habe.
Auf dem Weg zurück zum Hotel bemerke ich die Glenrinnes Distillery, ein paar Kilometer vor der Allt-a-Bhainne-Brennerei gelegen. Ein Blick hinein verrät mir: Hier wird kein Whisky hergestellt, aber Gin und Vodka, die in Eichenfässern gelagert werden.

38 Destillerien in 6 Tagen

Zweifamilien-Häuser stehen dort, wo früher die Caperdonich Destillerie war.

Tag 3: Von Convalmore bis Balvenie: Fasskunde und versteckte Schätze der Whisky-Herstellung

Heute steht eine längere Session bei Balvenie an. Zuvor gelange ich zur ein paar hundert Meter weiter gelegenen, geschlossenen Convalmore Distillery. Sie wurde 1985 stillgelegt und 1990 an William Grant & Sons verkauft. Die Gebäude sind weiterhin vorhanden und werden als Lagerhäuser für Glenfiddich verwendet.
Balvenie (zusammen mit Kininvie und Glenfiddich) besitzt eine eigene Küferei. 15 Küfer und 5 Lehrlinge arbeiten täglich an den eintreffenden Fässern. Teils werden sie nur kurz gecheckt und für die Abfüllung freigegeben. Manche müssen aber auseinandergenommen und mit Hölzern anderer Fässer ergänzt werden – oder werden gar als Ersatzmaterial für defekte Fässer zur Seite gelegt.
Wo die Gerste angeliefert und zuerst gelagert wird, darf nicht fotografiert werden. Dort, wo gemälzt wird, jedoch schon. Balvenie mälzt ca. 10 % ihrer Gerste selbst.
Washbacks sind in zwei Räumen zu finden – und erst noch verschieden angeschrieben: die einen mit Balvenie, andere mit Kininvie. Ja, Kininvie wird in den Räumen von Balvenie geschrotet, gemaischt und fermentiert. Die Destillation findet in einem separaten Stillhouse mit eigenen Brennblasen statt. Speziell – und das habe ich schon die beiden Male zuvor bei Balvenie erlebt: Das Stillhouse von Kininvie wird jeweils mit grossem Bogen umgangen; es wird kurz erwähnt, that’s it! Welches Geheimnis wird hier gehütet?
Am Nachmittag fahre ich an diversen Destillerien vorbei, die nicht öffentlich zugänglich sind. Dies sind Coleburn, Elgin, Mannochmore und Glenlossie. In Rothes besuche ich auch die Stelle, an der einst Caperdonich stand. Diese ist unterdessen abgerissen und hat Zweifamilienhäusern Platz gemacht. Das Erste davon heisst sogar «1 Caperdonich».
Um 15:30 Uhr bin ich der Einzige, der bei BenRiach auf Tour ist. Erst seit Kurzem werden hier Touren angeboten. Während einer Woche pro Jahr wird selbst gemälzt, das sind gerade mal 24 Tonnen Gerste – also 2 Batches. Die Aussage «BenRiach mälzt selbst» darf nicht falsch interpretiert werden. Es gibt neben Springbank keine einzige Destillerie in Schottland, die ihre gesamte Gerste selbst nach traditionellem Floor Malting mälzt und in einem Kiln trocknet.

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Destillerie Glenrinnes

Tag 4: Glenfiddichs Wachstum und altehrwürdige Spuren bei Parkmore und Tamdhu

Bevor es von Dufftown weiter geht, inspiziere ich (äusserlich) Glendullan, die den Singleton für den amerikanischen Markt herstellt. Weitere Singleton-Abfüllungen stammen aus der Dufftown und der Glen Ord Distillery, die den asiatischen bzw. europäischen Markt beliefern.
Parkmore ist seit 1931 stillgelegt – aber alle Gebäude stehen noch. Unter anderem werden in den vielen Warehouses auch Macallan-Fässer gelagert.
Die erste Tour heute ist bei Glenfiddich, Schwester-Destillerie von Balvenie. Seit 2019 steht ein neues Stillhouse, Glenfiddich hat seine Kapazität auf 21 Mio. Liter Jahresausstoss erhöht. 4 Maischbottiche befinden sich in einer Halle. Mit Glenlivet zusammen, die ebenfalls ausgebaut haben, gehört sie zu den grössten Single Malt-Destillerien in Schottland.
Nach dieser Tour ist es an der Zeit, zu Tamdhu zu fahren. Ein ehemaliger Bahnhof (die Gleise sind demontiert, das Gleisbett aber weiterhin vorhanden) ist der hübscheste Teil des Areals. Die Destillerie ist ein Industriekomplex kleinerer Grösse.
Um 13:30 Uhr bin ich bei Glen Moray angemeldet. Auf der Tour bin ich auch wieder alleine und erhalte so mehr Zeit, um Fragen zu stellen oder vertieft auf einen Produktionsschritt einzugehen. Bei den meisten Destillerien gelangt der Alkoholdampf von der Brennblase über den Schwanenhals («Lyne-Arm») direkt in einen Kondensator. Bei Glen Moray gelangt der Dampf zuerst in einen Wärmetauscher und erst danach in den Kondensator. Glen Moray nutzt also die erzeugte Wärme, um bei einem vorherigen Produktionsschritt (Erwärmung des Maischewassers) weniger Energie aufwenden zu müssen.

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The Bottle Station bei Glen Moray

Tag 5: Macallans neue Dimensionen und eine unerwartete Begegnung bei anCnoc

Aultmore steht als Erstes auf dem Programm. Diese Destillerie treffe ich auf dem Weg zur 25 Minuten von Rothes entfernten Inchgower Distillery an. Sie ist nicht öffentlich, lässt sich jedoch mit gutem Schuhwerk umrunden. Das Areal ist gross und für die Umrundung muss man über Felder und Bäche stolpern.
Die letzte gebuchte Tour ist bei Macallan. Seit 4 Jahren besteht eine neue Destillerie, die unterirdisch liegt. Die alte wurde eingemottet, kann aber jederzeit reaktiviert werden. Entsprechend wurde für die neue Brennerei alles Material neu beschafft. Ein Ausbau ist möglich – und zwar auf das Doppelte der jetzigen Grösse. So viel Landfläche ist noch vorhanden.
Die Tour ist mit 2,5 Stunden angegeben, dauert aber viel länger (3 Stunden sollte man im Minimum einplanen). Ab Produktionsschritt «Maische» sieht man alle Schritte der Vollendung des begehrten Macallan-Whiskys. Auch die Geschichte und das Interieur des Easter Elchies House wird in einem Modell erklärt und dargestellt. Auf der Aussichtsplattform hat man den besten Ausblick über das Speytal und auf den Ben Rinnes.
Ich gehe während des Tastings etwas früher. Ich möchte noch zur Destillerie GlenDronach. Sie liegt etwas ausserhalb der Speyside. Ich treffe Colin Corson. Er ist Supervisor des Visitor Centres und hat uns bei Finest Import in den vergangenen zwei Wochen bei der Identifizierung einer Unterschrift auf einer Flasche einer 33-jährigen GlenDronach-Abfüllung geholfen. Diese Flasche hat es als Sammlerstück zu uns geschafft, die Unterschrift des damaligen Tasting Leiters im Jahr 2011 war jedoch nicht entzifferbar. Er bzw. sein Vorgesetzter konnten diese eruieren und ich bedankte mich mit Schweizer Schokolade dafür.
Es steht eine weitere Destillerie an, die ich zwar nicht auf einer Tour, aber zumindest von aussen besichtigen kann: Knockdhu («Schwarzer Hügel»). Seit 1994 heissen ihre Abfüllungen anCnoc, um eine Verwechslung mit der Destillerie Knockando zu vermeiden. Ich getraue mich auf das Gelände, die Tore sind offen. Auf Höhe der Büros sehe ich einen Mitarbeiter, wie er Whisky-Kartons von einem Palett ins Innere bringt. Ich spreche ihn an und entschuldige mich zuerst einmal, dass ich so nahe an die Brennerei gekommen sei. Er bietet mir spontan eine Tour an. Das Beste kommt zum Schluss: Ich treffe den Manager Gordon Bruce und seine fünf Hunde. Mein Tour-Guide Ally füllt mir mehrere Samples ab. Ich bedanke und verabschiede mich.
Zu Hause recherchiere ich, wer dieser Ally war– Alistair Reid, der Assistenz-Manager, der seit 34 Jahren im operativen Geschehen und Management mitarbeitet.
Das war ein genialer Abschluss. Nicht eingeplant und deshalb bin ich völlig überrascht worden. Das Highlight meiner Reise!

38 Destillerien in 6 Tagen

Destillerie Strathisla

Tag 6: Letzte Besichtigungen und die Rückkehr voller Eindrücke von Speysides Reichtum an Whiskytradition

Heute reise ich wieder ab. Auf meinem Weg zurück an den Flughafen Edinburgh will ich nochmals 3 Destillerien begutachten. Die ersten 2 liegen direkt an der A95, der Hauptstrasse durch die Speyside. Zuerst komme ich an Ballindalloch vorbei, die erst seit 2014 besteht. Anschliessend folgt Tormore. Eine äusserst prunkvolle Erscheinung durch einen speziellen Baustil. Erst 1958 errichtet, wurde sie bereits 1986 unter Denkmalschutz
(«listed buildings») gestellt.
Nun fahre ich eine ganze Stunde, bevor ich die A-Road in Kingussie verlasse und durch das vom Spey überflutete Gebiet bis Drumguish manövriere, wo ich links abbiege, um der kleinen Speyside Distillery Hallo sagen zu können.

Auf dem Rückflug schaue ich mir in Ruhe alle Fotos an. Schon verrückt, so viele Destillerien auf einer so kleinen Fläche.
38 Destillerien, vier bereits abgerissen, zwei geschlossen aber noch stehend, acht Tour-Besuche, 24 Destillerien von aussen begutachtet.

Es war toll, überraschend und interessant. Alle diese Touren haben sich sehr gelohnt. Ich werde sicher wieder in dieser Jahreszeit nach Schottland reisen. Die Leute sind sehr freundlich und haben mehr Zeit als in der Hochsaison.

Text: Finest Import

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