Rund 2800 Tonnen Bündnerfleisch werden jedes Jahr produziert. «1000 Tonnen davon bleiben in der Schweiz, der Rest wird vor allem in die EU exportiert, mit Deutschland und Frankreich als grösste Abnehmer», erklärt Andrea Mani, Präsident des Verbandes Bündner Fleischfabrikanten. Während im Inland der Markt gesättigt sei, würden sich die Absatzzahlen im Ausland leicht steigend entwickeln.
Praktische klimatische Bedingungen
Mit diesen Zahlen gehört Bündnerfleisch zu den bekanntesten Schweizer Markenprodukten der Schweiz. Was aber macht es so besonders? Es sei das grosse Know-how der Hersteller zur Verarbeitung und Fleischveredelung, das man sich über Generationen hinweg bewahrt habe, erklärt Andrea Mani. Und die klimatischen Bedingungen im Bündnerland natürlich. Diese seien prägend für den Herstellungsprozess. Kein Wunder: Denn Bündnerfleisch wird luftgetrocknet, im Gegensatz beispielsweise zum geräucherten Appenzeller Mostbröckli.
In den meisten Bergtälern der Schweiz wurde bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Selbstversorgung gross geschrieben. Für den kalten Winter galt es, genügend Reserven anzulegen. Schliesslich wusste man nie, wie lange der Weg ins Tal nicht begehbar sein würde. In Vorbereitung auf die kalte Jahreszeit wurde im Bündnerland deshalb traditionell nach dem Alp-Abzug ein gewisser Bestand des Viehs geschlachtet. Während Innereien zu Würsten verarbeitet wurden, machte man die besten Fleischstücke durch pökeln und trocknen haltbar. Die trockene Luft zur kalten Jahreszeit in den Bündner Bergtälern eignete sich dafür perfekt. So wurde die Zeit zwischen Oktober bis März zur Hauptproduktionszeit von Bündnerfleisch. Bald schon ging es aber nicht mehr einzig um die Selbstversorgung. Durch den Tourismus gelangte die Bündner Spezialität schnell auch in die restliche Schweiz und ins Ausland.
«Inzwischen produziert man natürlich nicht mehr nur in den Wintermonaten», erklärt Andrea Mani. Bereits in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann man, die jahrelange Erfahrung im Fleischtrocknen in die Technik zu investieren und schuf spezielle Klimaanlagen, mit welchen das trockene, kühle Winterklima im Bündnerland imitiert werden konnte. So war es plötzlich möglich, auf eine Jahresproduktion umzusteigen. Bis heute gibt es aber kleinere Produzenten, die ihr Bündnerfleisch einzig an der Bergluft trocknen lassen, ganz nach alter Tradition.
«Geschützte geographische Angabe»
Trotz Technik, die eine Produktion des Bündnerfleisches auch an anderen Orten erlauben würde: Das Bündnerfleisch hat seine Heimat auch weiterhin in Graubünden. Seit 1999 ist Bündnerfleisch beim Bund offiziell als «Geschützte geographische Angabe» eingetragen. Das heisst, die Bezeichnung Bündnerfleisch darf nur für Produkte verwendet werden, die gemäss dem entsprechenden Pflichtenheft hergestellt wurden. Darin steht beispielsweise, dass für Bündnerfleisch einzig Muskelstücke des Rind-Stotzens verwendet werden dürfen, konkret Unterspälte, runder Mocken, das Eckstück oder die Nuss. Bei der Produktion werden zuerst Fett und Sehnen vom Fleisch entfernt und das zukünftige Bündnerfleisch anschliessend mit einer Salz-Pökelstoff-Gewürzmischung eingerieben. Die Zusammensetzung dieser Gewürzmischung unterscheide sich von Produzent zu Produzent, erklärt Andrea Mani. «Es gibt unterschiedliche Bündnerfleisch-Variationen, herrührend von den verwendeten Gewürzen, der Flora in den Trockenräumen sowie der Art und Weise der Veredelung.»
Nach der Pökelung, die je nach Fleischstück und Methode bis zu fünf Wochen dauern kann, wird das Bündnerfleisch gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. Drei bis sechs Monate kann die Trocknungsphase dauern, bei Temperaturen zwischen 8 bis 18 Grad. Dabei verliert das Fleisch rund die Hälfte seines Ursprungsgewichtes. In dieser Zeit wird das Fleisch mehrfach gepresst, was zur späteren, typischen rechteckigen Form führt. Das Pflichtenheft zum Bündnerfleisch schreibt vor, dass dieser Trocknungsprozess im Bündnerland und auf einer Höhenlage von 800 bis 1800 Metern über Meer stattfinden muss, zumindest nördlich der Alpen. In den Südtälern Graubündens darf die Trocknung auch in tieferen Regionen stattfinden.
2800 Tonnen Bündnerfleich werden jährlich produziert, nur 1000 Tonnen davon bleiben in der Schweiz. Bildquelle: Graubünden Ferien / Naturlufttrocknerei Brügger Parpan
Teil des Fleisches aus dem Ausland
Auch wenn das Pflichtenheft praktisch für sämtliche Produktionsschritte das Bündnerland als Ausführungsort vorschreibt, nicht ganz alles ist bündnerisch am edlen Stück Heimat. Die Fleischherkunft sei nicht vorgeschrieben, bestätigt Andrea Mani. Ein Teil des Fleisches komme deshalb auch aus dem Ausland, früher vor allem aus Südamerika, heute hauptsächlich aus dem EU-Raum. «Für uns steht die Qualität des Fleisches an erster Stelle. Die Herkunft selbst hat praktisch keinen Einfluss auf das spätere Produkt. Vielmehr ist es der gesamte Veredelungsprozess, der entscheidend ist und deshalb auch im Bündnerland stattfinden muss», so der Präsident des Verbandes Bündner Fleischfabrikanten.
Seit 1999 ist Bündnerfleisch als «Geschützte geographische Angabe» eingetragen und darf nur gemäss den Vorgaben des Bündnerfleisch-Pflichtenheftes produziert werden. Bildquelle: Graubünden Ferien / Naturlufttrocknerei Brügger Parpan