Eine besondere Verwendung des Tabaks blieb den aztekischen Priestern vorberhalten. Sie kauten u. a. Tabak, um während der Zeremonien in Trancezustände zu fallen und Halluzinationen zu bekommen. So konnten sie mit den Göttern in Kontakt treten. Um die stimulierende Wirkung des Nikotins zu verstärken, wurde der Tabak ausserdem mit Zutaten wie Kalk und Stechapfel vermischt.
Während die aztekischen Priester den Tabak meist kauten, bevorzugten die mesoamerikanischen Götter das Rauchen. Gerade im Maya-Gebiet gibt es zahlreiche Darstellungen Zigarre rauchender Gottheiten. So galt Chac Mool, der Regengott der Maya, als begeisterter Raucher, der die Regenwolken mit seiner riesengrossen Zigarre erzeugte. In den Sternschnuppen sahen die Maya die weggeworfenen Zigarrenstummel ihrer Götter, und wenn es donnerte und blitzte, schlugen die Götter Feuer, um sich ihre Rauchrollen anzuzünden.
Die alten Chroniken über die Azteken berichten wenig über das einfache Volk, und wir wissen heute nicht, wie weit das Rauchen im Volk verbreitet war. Über das Leben am Hof sind wir dagegen besser unterrichtet. So ist bekannt, dass Montezuma II. – er war von 1502 bis 1519 der letzte Herrscher der Azteken – nach dem Essen Tabak rauchte, um sich für die Siesta oder die Nacht die nötige Schläfrigkeit und Entspannung zu verschaffen.
In Mittel- und Südamerika rauchten alle Volksstämme seit Jahrhunderten. In den Kulturen der Maya, der Inka und der Azteken wurde der Tabak immer als ein Mittel betrachtet, um mit den Göttern Verbindung aufzunehmen. Daneben fand der Tabak aber auch als Heilmittel Anwendung. Als Sud, Saft und Kondensat wurde er vor allem gegen Tierbisse und Vergiftungen angewandt und die grünen Blätter wurden zur Linderung von Schmerzen auf den Körper gelegt. Tabak wird bis heute bei vielen indianischen Völkern Mesoamerikas gegen Schmerzen und Müdigkeit, Hunger und Durst geraucht.
Im Staat Chiapas im Süden Mexikos, unweit der Stadt San Cristobal de las Casas, leben – von der Zivilisation noch wenig berührt – die Lakandonen, ein Volk, von dem einige Anthropologen annehmen, dass es direkt von den Maya abstammt. In der Bernerin Getrud Düby-Blom (1901 – 1993) hatten die Lakandonen eine unermüdliche Kämpferin für ihre Rechte gefunden. Dank ihren Fotos und dem mit ihrem Mann Frans Blom seit Mitte des letzten Jahrhunderts aufgebauten Studienzentrum Na Bolom in San Cristobal beliben von dieser untergehenden Welt wenigstens einige Zeugnisse erhalten.
Wie bei den Maya hat auch bei den Lakandonen der Tabak eine wichtige Stellung. Er ist einerseits ein Genussmittel und andererseits eine der wenigen Waren, die die Indios den Weissen verkaufen können.
Heutzutage pflanzt jedes Familienoberhaupt nach der Maisernte auf seiner Milpa, dem Pflanzfeld, Tabak an. Zur Zeit der Tabakernte hilft die ganze Familie mit; Männer, Frauen und Kinder tragen in kunstvoll geknüpften Netzen schwere Lasten auf dem Rücken, die nur von einem um die Stirn gehenden Lederriemen gehalten werden. Ein Teil der Ernte wird für den Eigengebrauch zurückbehalten. Auch die Frauen und die Kinder erhalten «Tabacos», die in ihrer Art eher an krumme Brissagos als an virtuos gefertigte Havannas erinnern.
Die Lakandonen glauben übrigens noch heute – wie die Maya früher –, dass die Sternschnuppen nichts anderes sind als die weggeworfenen Zigarrenstummel ihrer Götter.
Tabago? Das Buch zum Museum
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