tdm: Rouven, kannst du segeln?
RB: Aha, da hat jemand unsere Homepage angeschaut… Nein, ich kann tatsächlich nicht segeln, aber ich kann schwimmen. Ich bin ein guter Schwimmer, war sogar im Schwimmklub. Ich war aber zu wenig kompetitiv und man sagte mir bald, ich sei hier nicht zum «bädele»… Aber ich habe Windsurfing betrieben, deshalb ist mir Bewegung auf dem Wasser mittels Windkraft nicht unbekannt.
Hoffentlich, du bist schliesslich «Erster Offizier»… Wohin zeigen denn die Segel im Jahr 2025, um bei diesem Bild zu bleiben?
Ich habe Ende 2024 gemerkt, dass ich nun seit 10 Jahren in der Tabakbranche bin und feierte mein 10jähriges Firmenjubiläum bei ImpCor. Man hat mir gesagt, dass man nach 5,6 Jahren in der Tabakbranche schon als «alter Hase» gilt und viele meinten, ich müsste jetzt meine eigene Zigarren-Linie herausbringen.
Das ist jedoch nicht mein Ziel.
Was ist denn dein Ziel für 2025? Deinen Bart abhauen ;-)?
Das habe ich auch schon gemacht, wäre also nicht das erste Mal. Es gibt ja diese Bewegung «movember», die auf Prostatakrebs hinweist. Sie wurde gegründet, um Krebs bei Männern zu thematisieren. Ich habe vor 5,6 Jahren mitgemacht. Am 31.10. rasiert man sich glatt und nachher den ganzen November über nicht mehr.
Nach paar Tagen sieht dies lustig oder auch komisch aus – auf jeden Fall wird man darauf angesprochen und schon ist man im Gespräch über dieses wichtige Thema.
Kurz: Den Bart werde ich nicht abhauen. Hinter der Idee von «Movember» stehe ich aber nach wie vor – eine gute Sache.
Mein Vorsatz für 2025 ist gesund zu bleiben und das Leben zu geniessen.
Was für ein Mensch steckt hinter dem Bart? Wie würdest du dich in wenigen Worten beschreiben?
Ich finde, ich bin ein äusserst kommunikativer Genussmensch. Ich erzähle Geschichten, bin Storyteller. Schon in der Schule war ich der «Klassenkasper», der Entertainer.
Leider gibt es keine Lehre als Entertainer…
Richtig, ich habe Elektromechaniker gelernt. Ich hatte beim Berufsberater keinen Plan und als ich ihm erzählte, dass ich gerne Geräte aufschraube, weil ich neugierig auf den Inhalt war, da hat er mir ohne zu zögern den Elektromechaniker vorgeschlagen, was ich auch wurde.
Etwa 10, 15 Jahre später war ich wieder mal beim Berufsberater, der sich jetzt Laufbahnberater nannte, und bei einem Test kam heraus, dass ich ein guter Politiker oder Lehrer wäre. Meine Erkenntnis daraus: Es musste etwas Kommunikatives sein.
Da war der Verkauf nicht mehr weit weg und als Autofan landete ich bald in der Autobranche.
Hast du ganze Autos verkauft, oder Autoteile?
Sowohl ganze Fahrzeuge wie auch Teile. Ich habe einen europaweiten Vertrieb aufgebaut und Felgen und Tuning-Teile verkauft. Ich war ein Tuner, wollte das Auto veredeln. Ich wollte nicht rasen oder den Auspuff knallen lassen.
Wir hatten damals solche Kleber: «Tuner sind keine Raser».
Also sollten wir Auto-Poser nicht in die gleiche Schublade stecken wie Auto-Tuner.
Genau. Ich stelle hier eine Parallele fest zur Zigarrenbranche:
Wir müssen auch dafür kämpfen, dass der Zigarren-Genussmensch nicht einfach in die gleiche Schublade geworfen wird wie die «Vaper» oder die Raucher von Zigaretten. Vor dem Gesetz mag das ja das Gleiche sein, aber der Zigarren-Genussmensch ist ganz ein anderer Konsument.
Wie kam es zum Wechsel von der Autobranche zur Zigarrenbranche?
Das passierte an einem Polterabend, als ich Marcello Corazza, meinen künftigen Chef, kennenlernte. Zu jenem Zeitpunkt war seine Firma eine «one-man-show» mit einem einzigen Produkt. Anlässlich dieses Polterabends rauchten wir das erste Mal eine Zigarre zusammen.
Deine erste Zigarre überhaupt?
Nein, das nicht, ich war aber sicher kein versierter Zigarren-Genussmensch. Ich wusste nichts über Zigarren. So knapp war mir bekannt, an welchem Ende ich ziehen musste…
Aber ich weiss jetzt, dass es gut ist, wenn dich jemand, der versiert ist, quasi an der Hand nimmt und dir die «Basics» vermittelt.
Und je mehr ich wusste, verspürte ich das Bedürfnis, auch anderen weiterzugeben, was das Vergnügen ist, eine Zigarre zu rauchen und was man für dieses Vergnügen tun kann.
Aus diesem Bedürfnis ist wohl auch der Begriff «Genussbringer» entstanden?
Ja, ich merkte, dass ich mehr machen wollte, als nur herumzufahren und unseren Kunden unsere Produkte zu verkaufen.
Mir ist auch wichtig, neue «Aficionados» zu gewinnen, also Tastings, Events und Schulungen zu organisieren.
Also doch noch Lehrer geworden!
In diese Schiene bin ich tatsächlich geraten. Ich darf zum Beispiel in der gehobenen Gastronomie Personal im Zigarren-Service schulen. Es geht mir hier um den Wissenstransfer, damit das Personal den Gast noch besser beraten kann.
Wie hast du dir dein grosses Wissen erworben?
Die Leidenschaft bei mir hat sicher Marcello geweckt. Er brachte mir wie gesagt die «basics» bei, aber auch das Geniessen. Ich hatte dann das Glück seinen Cousin Carlo, den Produzenten aus Costa Rica, kennenzulernen. Und ich habe diese Neugier in mir, dass ich alles wissen will, wenn mich etwas interessiert. Bei Carlo konnte ich das Wissen von der Quelle holen, ich musste nicht im Internet recherchieren oder Prospekte auswendig lernen.
Der persönliche Kontakt war dir nicht nur in deinen Anfängen wichtig.
Äusserst wichtig – heute wie damals. Wir importieren und verkaufen heute über zehn Marken exklusiv in der Schweiz und haben zu allen diesen Produzenten einen persönlichen Kontakt. Wir wissen folglich, was wir einkaufen.
Deshalb kann ich bei den Events oder Schulungen auch mehr erzählen, als jemand, der es einfach im Internet nachgelesen hat. Es sind die Geschichten zwischen den Zeilen, die mein Storytelling ausmachen.
Geschichten worüber?
Woher kommen die Namen der Produkte? Wie hat der Produzent damals begonnen? Was ist auf dieser Plantage vor x Jahren passiert? Was macht dieses Produkt einzigartig? Solche Geschichten zum Beispiel.

Warst du schon persönlich vor Ort bei deinen Produzenten?
Ich war schon beruflich in Costa Rica und besuchte Freunde in der Dominikanischen Republik – ein paar andere Länder stehen noch auf der Liste. Wir haben jedoch das Glück, dass uns unsere Produzenten besuchen kommen und wir unseren Kunden die Menschen hinter den Produkten vorstellen dürfen. Das kommt gut an.
Wir gehen dann bei unseren Fachhändlern vorbei – eine Art «Roadshow» – und organisieren den einen oder anderen Event für den Endkunden. Obwohl wir die kleine Schweiz sind, kommen die Produzenten gerne vorbei und die Kunden schätzen dies.
Weshalb stehst du jeden Morgen auf? Was treibt dich vor allem an?
Ich bin neugierig und kommunikativ, und ich kann auf Kunden eingehen. Natürlich ist mein Auftrag der Verkauf, aber mein Antrieb ist nicht monetärer Art. Mir gefällt, dass ich andere Menschen «gwundrig» machen kann. Ich finde es auch spannend, die Endkunden, also die Kunden meiner Fachhändler, kennenzulernen und zu spüren, wie sie ticken.
Ich bin authentisch, muss mich nicht verstellen. Ich bin auch privat neugierig und kommunikativ. Natürlich habe ich diese Tage, an denen ich etwas unmotiviert starte, aber spätestens nach dem zweiten Kunden habe ich wieder ein «smile» im Gesicht. Ich bin ja auch mit den meisten Kunden per du und so drehen sich unsere Gespräche nicht nur um die Produkte, sondern es werden auch private Themen angeschnitten und mit vielen dieser Menschen bin ich mittlerweile auch befreundet.
Du bist viel unter Leuten – hast du auch einen Rückzugsort?
Das ist sicher meine Familie, meine Frau und mein Sohn. Und mein Freundeskreis. Der Begegnungsort bei mir sind die Küche und der Esstisch. Ich koche auch leidenschaftlich gerne, für uns drei oder für den Freundeskreis. Ich habe auch schon Kochkurse besucht, aber ehrlich gesagt wurde ich dorthin mitgeschleppt.
Gibt es noch andere Orte, die du wiederholt aufsuchst, weil sie eine Bedeutung für dich haben?
Bei mir gilt auch hier: Der Weg ist das Ziel. Ich bin halt immer noch ein Autofreak, fahre zB. an einem Sonntagmorgen früh mit dem Cabriolet auf die Schwägalp. Sogar im Januar, mit offenem Verdeck. Bei anderen mag es der Töff oder das Boot sein – bei mir ist es immer noch das Auto. Man findet mich auch mal an einer Auto-Ausstellung oder Oldtimer-Messe. Da bin ich schon noch neugierig und sehe die Fahrzeuge gerne im Original, nicht nur in der Fachzeitschrift.
Hast du eine Oldtimer-Sammlung bei dir zuhause?
Das nicht, aber ich bastle gerne an meinem Mini Cabriolet herum, da ist wahrscheinlich keine Schraube mehr vom Original. Früher war ich auch an Treffen, in Silverstone, da kamen Tausende von Minis zusammen und man sah kein Modell zweimal.
Rouven, du bist 52. Siehst du dich noch 15 Jahre dasselbe machen? Andere stecken in dem Alter in der «midlife crisis», wollen plötzlich durch Nepal trekken, den Mount Everest besteigen oder eine Harley kaufen…
Genau! Ich könnte mit der Harley quer durch Nepal auf den Everest fahren.
Im Ernst: Ideen und Pläne hätte ich noch viele, wohl «too much to list». Einige werden sicher Träume bleiben. Ich darf ja noch einige Jahre lang arbeiten, und dies voll motiviert. Ob ich mal in der Firma eine andere Rolle spielen werde… wer weiss? Aber ich möchte immer mit Menschen zu tun haben, es drängt mich hinaus zu den Leuten. Komplett zurückziehen könnte ich mich nicht.
Du wirst dich also nicht neu erfinden, du bleibst der Branche erhalten?
So der Staat dies zulässt und wir weiterhin Tabakprodukte und Genuss zu den Menschen bringen dürfen, dann möchte ich natürlich bleiben. Ich habe in der Tabakbranche das Glück, dass der Zigarrengenussmensch doch eher ein entspannter Typ ist und nicht so viel auf den Status gibt.
Aber genau solche Bilder werden uns manchmal präsentiert: Fussballer im Whirlpool, die mit der Zigarre im Mund ihren momentanen Status zeigen: Erfolg.
Die Siegeszigarre, natürlich. Man sieht die auch an Polterabenden oder an Hochzeiten. Ja, das ist mir früher sicher auch schon passiert: Bei irgendeiner Gelegenheit kommt irgendeiner um die Ecke und steckt dir eine Zigarre in den Mund und du hast keine Ahnung, was du da paffst. Oft bleibt diese Zigarre dann nach vier, fünf Zügen liegen oder wird im schlimmsten Fall sogar ausgedrückt. Da blutet einem «aficionado» natürlich das Herz. Mir auch, denn ich weiss Bescheid über den nicht-monetären Wert dieser Zigarre. Das ist ein mit Liebe gemachtes, handgefertigtes Produkt aus einer Manufaktur.
Und diesem Produkt sollte man Wertschätzung entgegenbringen, richtig?
Genauso ist es. Aus diesem Grund schneide ich bei einer Veranstaltung auch mal eine Zigarre auf und zeige, was drinsteckt und mit welchem Aufwand sie produziert wurde. So erhalten Gelegenheitsraucher einen anderen Blickwinkel auf das Produkt.
Eine letzte Frage: Wie sieht dein Gipfel des Genusses aus, bildhaft gesprochen?
Mit einer Handvoll guter Menschen zusammen sein, auf einer Insel – die aber mit dem Auto erreichbar wäre – wo wir etwas Feines rauchen, trinken und essen. Nicht im Gourmet-Tempel, es kann etwas Einfaches sein, ein Bierchen und etwas vom Grill.
Aber das Wichtigste wäre mit wem: Ein schöner Ort wird gemacht durch die anwesenden Personen. Dann braucht es nicht einmal die erwähnte Insel zu sein, ein Parkplatz genügt.
Lieber Rouven, wir wünschen dir auch in diesem Jahr viele solche Momente und bedanken uns für das Interview.