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19. März 2021

Tomate: Die Vielfalt neu entdeckt

Tomaten gehören in der Schweiz zu den beliebtesten Gemüsearten überhaupt – auch im Eigenanbau tausender Hobby-Gärtner. Dabei muss es nicht immer nur rund und rot sein. Immer mehr Geniesser entdecken die alte Tomaten-Vielfalt neu.

Müsste man jemandem eine Tomate beschreiben, wäre sie wohl rund und rot. So hat sich das Aussehen der Tomate im Laufe der Jahrzehnte in den Köpfen der Konsumente eingebrannt. Und während Gross­produzenten durch Züchtungen versuchten, immer standardisiertere und noch länger lagerbare Tomaten zu entwickeln, ging die Vielfalt nach und nach vergessen. Bis sich ab 1982 Pro Specie Rara für die Vielfalt einsetzte. Heute führt die «Schweizer Stiftung für kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren» fast 170 Tomatensorten in ihrer Sortendatenbank. Und auch viele Hobby-Gärtner und Geniesser haben die Vielfalt wieder neu für sich entdeckt.

«Die Bedürfnisse des Hobby-Gärtners sind ganz anders als jene des Grossproduzenten», erklärt Nicole Egloff von Pro Specie Rara unter anderem den Aufschwung der alten Sorten. Während bei den Sorten im Handel das Aussehen und die gute Lager- und Transportfähigkeit im Vordergrund stünden und dabei der Geschmack oftmals auf der Strecke bleibe, könne man im eigenen Garten andere Prioritäten setzen. Hier kann also mit unterschiedlichen Sorten experimentiert werden. Sorten, die sich in Form, Farbe und Geschmack deutlich voneinander unterscheiden. «Eine selber gezogene sonnenwarme ‹Green Zebra› vom Strauch direkt in den Mund – das ist Sommer pur!»

Tomate: Die Vielfalt neu entdeckt

Als die Stiftung Pro Specie Rara vor über 30 Jahren mit der Arbeit begann, ging es zuerst einmal darum, die alten Tomatensorten überhaupt wieder zu finden. «Man wusste, dass in vielen Schweizer Gärten diese Sorten überlebt hatten, teilweise von Generation zu Generation weitergegeben wurde», erzählt Egloff. Also machte man einen öffentlichen Aufruf, Saatgut von Tomaten einzusenden. Und tatsächlich kamen hierbei Sorten zum Vorschein, die bisher kaum oder noch gar nicht beschrieben wurden. «Aus diesem Grund haben viele unserer Sorten auch einen Schweizer Namen, obwohl Tomaten allgemein keinen Schweizer Ursprung haben.»

Zu vielen der Sorten weiss Nicole Egloff eine spezielle Geschichte zu erzählen. Beispielsweise die «Lutschig Zürich». Eine Tomate, die vor Jahrzehnten im Gepäck der Familie Lutschig den Weg nach Australien fand. Erst vor einigen Jahren wurde sie Pro Specie Rara zugesandt und fand so den Weg wieder zurück in die Schweiz. Oder die Baselbieter Röteli. Diese wurde aus Schwanden im Kanton Glarus eingeschickt. Da die Einsender-Familie ihre Wurzeln jedoch im Baselbiet hat, erhielt die Tomate die Baselbieter-Bezeichnung. «So verhält es sich mit vielen der wieder neuentdeckten Tomatensorten.»

Die eingesandten Tomatensamen wurden bei Pro Specie Rara wieder vermehrt und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Hierbei geht die Stiftung den Weg über engagierte Hobbygärtner und Hobbygärtnerinnen. Sie vermehren im Auftrag von Pro Specie Rara einzelne Sorten und geben einen Teil des Saatgutes weiter an Gönnerinnen und Gönner der Stiftung. «Die Bestellung läuft dabei direkt über den Vermehrer. So können auch Tipps untereinander ausgetauscht werden», erklärt Egloff. «Wer ausserdem einmal solche Tomatensorten angepflanzt hatte, kann diese auch ganz einfach selber vermehren, also Samen für das nächste Jahr zurückbehalten und daraus selber neue Setzlinge anziehen.» Etwas, das mit Tomaten von Grossproduzenten meist nicht funktioniert (siehe Box «Stadt-Tomaten»).

Stadt-Tomate

«Die Konzerne, welche das Saatgut für die Grossproduktion produzieren, haben ihre Tomaten so gezüchtet, dass sie zwar zuverlässig viel Ertrag geben, jedoch nicht selbst vermehrt und nachgezüchtet werden können», erklärt Nicole Egloff von Pro Specie Rara. Dadurch hätten diese den Handel im Griff und bestimmten gleichzeitig darüber, was bei den Konsumenten auf dem Teller landet. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen und alte Sorten zusätzlich zu fördern, hat Pro Specie Rara 2012 die Aktion «Stadt-Tomaten» ins Leben gerufen. Über www.stadt-tomaten.ch können Starter-Kits mit Saatgut und Schritt-für-Schritt-Anleitungen bestellt werden. Anschliessend braucht es nur noch einen Balkon oder Garten, einen Blumentopf und viel Sonne. «Dabei hoffen wir, dass im Sommer nicht nur Tomaten zum Essen sondern auch Samen zum Weiterzüchten gepflückt und diese an Freunde und Bekannte weitergegeben werden, so dass sich unsere Tomaten schnell verbreiten.

Wie sehr die Nachfrage nach den ursprünglichen Tomatensorten in den letzten Jahren gestiegen ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Pro Specie Rara-Tomaten in immer mehr Gärtnereien sowie einzelne Sorten inzwischen sogar bei Coop Bau+Hobby erhältlich sind. Immer beliebter werden auch die ProSpecieRara-Setzlingsmärkte in der ganzen Schweiz, an denen viele Tomaten-Sorten verkauft werden. «Jahr für Jahr kommen hier neue Märkte dazu, ein riesiger Erfolg für uns und die alten Tomatensorten», sagt Nicole Egloff. Und so werden die Tomaten-Beete in den Schweizer Hobbygärten immer bunter und vielfältiger. Von länglich orange bis rund und dunkelviolett und von pfirsichähnlichem bis angenehm würzigem Aroma ist alles dabei, ganz nach dem Geschmack von Natur und Geniesser.

Tomate: Die Vielfalt neu entdeckt
Baselbieter Röteli

Sehr fruchtbare Sorte, etwas grösser als herkömmliche Cherry-Tomaten, rot, länglich-­oval. Anfällig auf Risse bei grossen Luftfeuchtigkeitsschwankungen. Gut lagerbar.

Tomate: Die Vielfalt neu entdeckt
Berner Rosen

Seit 1957 gehandelte, altbekannte, rosa Fleisch­tomate. Exzellenter Geschmack. Etwas heikel im Anbau, springt typischerweise auf. Schutz vor Regen ist empfehlenswert.

Tomate: Die Vielfalt neu entdeckt
Black Cherry

Die schwarzen Früchte sind rund und von der Grösse einer Cocktailtomate. Die wüchsigen Stauden produzieren ansehnlich Früchte, die von einer sehr guten Qualität sind und sich auch gut aufbewahren lassen.

Tomate: Die Vielfalt neu entdeckt
Currant White

Crèmeweisse Wildtomate, welche wahrscheinlich ursprünglich aus Mexiko kommt. Sehr süss und fein.

Tomate: Die Vielfalt neu entdeckt
Green Zebra

Kräftiger Wuchs und dunkles Laub. Frucht hellgrün und dunkelgrün gestreift, wird etwas gelblich bei der Reife. Sehr geschmackvoll, eher spät reifend.

Tomate: Die Vielfalt neu entdeckt
Pfirsich gelb

Feste Frucht mit einer mattgelben Farbe, 2- bis 3-kammerig, aprikosengross. Saftig und von gutem, süsslichem und pfirsichähnlichem Geschmack. Die Haut ist wie bei Pfirsichen leicht flaumig und etwas regenanfällig.

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