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21. Januar 2022

Wenn Schimmel zum Genuss führt

Schimmel als Käse-Veredler kennt man schon länger. Dass mithilfe dieses Pilzes aber auch Fleisch veredelt werden kann, bewiesen zwei experimentierfreudige Schaffhauser. Seither sorgt ihr LUMA-Fleisch für Furore – und echten Genuss.

Die Freunde aus Kindertagen kamen beim gemeinsamen Philosophieren über Fleisch und Biotechnologie in ihrer WG auf die Idee: Wieso nicht ein altes Reifungsverfahren für Fleisch, das Reifen am Knochen, mit den Vorzügen eines Edelschimmelpilzes verbinden? Was sich so einfach anhört, erwies sich in der Praxis als zeitintensive Forschungsarbeit. Herausfordern war vor allem die Suche nach dem geeigneten Pilz.

Marco Tessaro und Lucas Oechslin, so heissen die beiden Jungunternehmer aus der Region Schaffhausen, mussten sich zuerst einmal einlesen. Dabei kam Lucas Oechslin sein Studium der Biotechnologie zu Gute, an dem er zu dieser Zeit gerade war. «Der Pilz durfte natürlich nicht giftig sein. Gleichzeitig sollte er auch bei tiefen Temperaturen wachsen. Und natürlich den Geschmack des Fleisches wie gewünscht veredeln», erzählt Tessaro.

Wenn Schimmel  zum Genuss führt

Die beiden Freunde Lucas Oechslin und Marco Tessaro kamen beim gemeinsamen Philosophieren über Fleisch und Biotechnologie in ihrer WG auf die Idee für LUMA-Fleisch.

Die ideale Kombination

«Unser Fleisch hat einen leicht nussigen, erdigen Geschmack. Je nach Fleisch ist dieser mehr oder weniger intensiv», beschreibt Tessaro das LUMA-Fleisch. Zu verdanken ist dies einerseits der Reifung am Knochen. «Reift das Fleisch im Vakuumbeutel, bekommt man einen ganz anderen pH-Wert.» Dabei werde das Fleisch dann oft leicht sauer, was sich im Geschmack widerspiegle. Je nach Fleisch unterscheiden sich die Reifezeiten. Während Schweine- und Kalbfleisch bis zu 35 Tagen am Knochen gelagert wird, reift das Rindfleisch sogar bis zu 56 Tagen. Es ist aber natürlich auch der Schimmelpilz, der das seine zum Endprodukt beiträgt. Mit einer Flüssigkeit wird dieser vor dem Reifen auf das Fleisch aufgesprüht. Eine Milliarde Sporen pro Quadratzentimeter. Während dem Reifeprozess arbeitet der Schimmelpilz dann am Fleisch und verändert dabei das Fleischaroma.

Viel Überzeugungsarbeit

Auf der Suche nach dem richtigen Pilz für das gewünschte Aroma blieb den beiden Freunden nichts anderes übrig als auszuprobieren. Ein Metzger stellte ihnen dafür die Räumlichkeiten zur Verfügung, zur Degustation wurden regelmässig Freunde und Bekannte eingeladen. Eineinhalb Jahre ging es, bis man endlich den richtigen Pilz gefunden hatte. Die beiden Tüftler liessen ihre Methode patentieren und nannten ihre neue Fleisch-Erfindung LUMA-Fleisch, in Anlehnung an ihre beiden Vornamen.

Nun ging es darum, Abnehmer zu finden. Anders als bei den Freunden, die ihnen beim Degustieren einfach vertrauten, erwies es sich jedoch als schwieriger, die Methode mit Schimmel am Fleisch auch anderen schmackhaft zu machen. «Hier braucht es bis heute Überzeugungsarbeit» erzählt Tessaro. Dabei sei vielen nicht bewusst, wie oft man auch sonst bei Nahrungsmitteln mit Schimmelpilz in Berührung komme, sei dies bei Käse, Schinken, Salami und vielem mehr. Den Durchbruch erzielten sie mit dem ersten bekannteren Gourmet-Restaurant, das sie als Kunde gewinnen konnten. Über einen Freund erfuhr Ivo Adam vom Restaurant Seven in Ascona von dieser neuartigen Reife-Methode und war nach einer Degustation so begeistert, dass er das LUMA-Fleisch auf seine Karte nahm.

Wenn Schimmel  zum Genuss führt

Herausforderung Schweinefleisch

Es ist die Herausforderung, welche die beiden Jungunternehmer immer wieder von neuem antreibt. Bot man zu beginn nur Rindfleisch an, kamen später auch Kalbfleisch und Schweinefleisch hinzu. Der Mehrwert bei veredeltem Schweinefleisch sei eigentlich sogar noch grösser als bei sonst schon hochbewertetem Rindfleisch, ist Tessaro überzeugt. «Schweinefleisch ist eigentlich total unterbewertet, dabei ist es sehr gesund und sehr fein» so Tessaro. Sie wollten beweisen, dass sich eben auch dieses Fleisch veredeln lässt. Anders als bei Rind- und Kalbfleisch kannte man das Abhängen von Schweinefleisch am Knochen zuvor noch kaum. Auch hier macht man sich die Vorteile des Edelschimmelpilzes wieder zunutze. Denn der Schimmelpilz arbeitet nicht nur am Aroma, sondern verhindert auch, dass sich noch andere Mikroorganismen auf dem Fleisch vermehren.

Diese konservierende Schutzschicht ist eine wichtige Voraussetzung für das Reifen am Knochen von Schweinefleisch.

US-Beef, Pata Negra und Co.

Heute, nur vier Jahre nach dem Durchbruch, arbeiten nebst den beiden Tüftlern zwei Metzger und ein Gastro-Experte mit im Team. Und die Nachfrage beschreibt Tessaro als «stetig wachsend». Längst ist es nicht mehr nur ein kleiner Kreis, der in den Genuss des LUMA-Fleisches kommt. Nebst zahlreichen Gastronomie-Betrieben findet sich das Fleisch auch in der Fine Food-Linie von Coop und wird in grösseren Filialen angeboten. Und die Zukunft? Dort warten neue Pläne auf das junge Unternehmen. «In den letzten Jahren sind wir enorm viel herumgekommen und konnten in der Branche viele wichtige Kontakte knüpfen» resümiert Tessaro.

Diese wollen sie sich nun zunutze machen, mit einem erweiterten Handel mit Fleisch-Spezialitäten. Über den Online-Shop www.luma-delikatessen.ch vertreiben sie in Zukunft nicht nur ihr eigenes ­LUMA-Fleisch, sondern auch US-Beef, Pata Negra, Räucherspeck, Bratwürste und vieles mehr.

LUMA-Fleisch à la Chef

Ein spezielles Fleisch bedarf auch einer speziellen Zubereitung – oder eben nicht. Wie geniesst Marco Tessaro sein LUMA-Fleisch am liebsten? «Ganz simpel», erklärt er. «Ein Steak kurz scharf auf beiden Seiten in einer sehr heissen Pfanne anbraten, am besten in einer Gusseisen-Pfanne von der Grossmutter. Oder auf einem heissen Holzkohlegrill.

Anschliessend 5 Minuten abstehen lassen, aufschneiden und zum Schluss ganz wenig mit Salz würzen. So kommen die speziellen Aromen unseres Fleisches auch wirklich zur Geltung», schwärmt Tessaro.

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