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25. April 2022

Die Anfänge der Tabakindustrie im Aargau

Die 1720 anlaufenden Bemühungen der Berner Regierung, die Anpflanzung und Verarbeitung von Tabak zu propagieren, fanden im damals bernischen Aargau vorerst nur ein geringes Echo. Die Städte Aarau, Zofingen und Lenzburg standen gerade mitten in der Blütezeit des Textildrucks, und im Wynen- und Seetal hatte die Baumwollindustrie Fuss gefasst. Für die das traditionelle Leinenweben gewohnte Bevölkerung war die Baumwolle weniger fremd als die noch unbekannte Pflanzung und Verarbeitung von Tabak.

Ein Umdenken war jedoch nötig, als um die Mitte des 19. Jahrhunderts auch im Aargau die grosse Krise in der Baumwollindustrie einsetzte. Die Mechanisierung in der Weberei brachte einen starken Rückgang der Heimarbeit mit sich, und für Grossbetriebe war die Wasserkraft der Wyna zu gering. Innert weniger Jahre sank die Zahl der Baumwolltuchfabrikanten im Wynen- und Seetall dramatisch, der ganzen Region drohte eine grosse Arbeitslosigkeit. Im Bestreben, Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten für die Bevölkerung zu schaffen, wurde versucht, andere Branchen anzusiedeln, so zum Beispiel Strohflechterei, Seidenindustrie, Uhrenindustrie, Haftenfabrikation oder Zementwarenfabrikation. Dauerhaft und erfolgreich zu etablieren vermochte sich jedoch nur die Tabakindustrie.

Die Anfänge der Tabakindustrie im Aargau

Samuel Weber von Menziken (1785 – 1861)

Pionier der Tabakindustrie im Wynental war der Menziker Kleinbauer Samuel Weber. Er hatte einen seiner Söhne beauftragt, sich in der Fremde nach einem neuen Erwerbszweig umzusehen. Er liess sich von den Zukunfsperspektiven der Tabakverarbeitung überzeugen. 1838 wurde in Menziken erstmals Pfeifentabak hergestellt. Im Nachbardorf Beinwil im Seetal war es Johann Jakob Eichenberger, der sich 1841 mit der Zigarrenfabrikation zu beschäftigen begann. Diese beiden Firmen gaben den Anstoss für Neuausrichtung der regionalen Industrie. So hielt die Tabakverarbeitung im Wynen- und Seetal zu einer Zeit Einzug, als der Niedergang der Baumwollindustrie nicht mehr aufzuhalten war. In Reinach wurde 1853 die Firma «Gautschi & Hauri» gegründet, drei Jahre später nahmen «Heinrich Hediger und Söhne» (später «Hediger Söhne») die Produktion auf. Weitere Fabriken in der Gegend folgten bald: «Burger Söhne», «Villiger» und viele andere.

Viele der aargauischen Zigarrenfabrikanten stammten aus Familien von Baumwollunternehmen oder waren ursprünglich im Verlagswesen tätig. Heinrich Hauri und Jakob Gautschi, die als Reinacher Tabakpioniere gelten, waren Söhne von Baumwollfabrikanten, ebenso die Gebrüder Keller und Rudolf Hediger-Strössler. Oft wurden auch Baumwoll- und Tabakfabrikation nebeneinander betrieben, wie bei Hans Rudolf Bauhofer und Samuel Erismann junior. Von den bedeutenden Tabakfabrikanten kamen einzig die Gebrüder Johann und Rudolf Jakob Hediger nicht aus den Kreisen der Baumwollbranche.

Die Anfänge der Tabakindustrie im Aargau

Ausschnitt aus der Trigonometrisch-Topografischen Karte des Kantons Aargau, die von Ernst Heinrich Michaelis (1837 – 1843) im Massstab 1:25 000 gezeichnet wurde. Die 18 Originalbilder, welche interessierten Kreisen erstmals 1991 in einer Faksimile-Ausgabe zugänglich wurden, befinden sich im Staatsarchiv des Kantons Aargau.

Dass sich gerade die Zigarren- und Tabakfabrikation als Ersatzindustrie im Wynen- und Seetal durchsetzte, kann auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden. Zum einen war die Tabakverarbeitung nicht, wie die Textilbranche, von genügend Wasserkraft abhängig. Zudem gab es auf dem schweizerischen Markt wenig Konkurrenz und keine staatliche Tabakregie, die Nachfrage nach Tabakprodukten jedoch stieg kontinuierlich an. Da viele Tabak verarbeitende Betriebe sich aus der Baumwollindustrie heraus entwickelten, konnten oft bestehende Fabrikgebäude umgenutzt werden, in denen – auch aufgrund fehlender staatlicher Fabrikgesetze – eine starke Konzentration von Arbeitsplätzen möglich war. Den wohl wichtigsten Faktor bildete aber das Vorhandensein eines Reservoirs an billigen, oft beschäftigungslosen und um ihre Existenz kämpfenden Arbeitskräften, die schon von der Agrarstruktur losgelöst und an industrielle Tätigkeit gewohnt waren.

Quellennachweis Text & Bild:
max@typopress.ch

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