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05. März 2021

Schweizer Tabakpflanzer: Vom Aussterben bedroht?

Im 2013 sank die Anzahl Tabakpflanzer zum ersten Mal unter 200. Dieses Jahr sind sogar nur noch 166 gemeldet. Und die Tendenz ist weiter sinkend. Eine bedenkliche Entwicklung, meinen auch direkt Betroffene. Denn bedroht ist nicht nur der Schweizer Tabak, sondern auch eine über 300-jährige Anbautradition. Nun haben Tabak-Bauern und -Abnehmer der Industrie gemeinsam eine Zwischenlösung gefunden, die ­zumindest etwas Luft verschafft.

«Schon seit Jahrzehnten sagt man, den Tabakanbau in der Schweiz, den gebe es nicht mehr viel länger als fünf Jahre. Und noch immer gibt’s ihn», sagt ­Gernot-Viktor Alber optimistisch. Er ist Generalsekretär der Sota, der Schweizer Einkaufsgenossenschaft für Inlandtabak. Die Zahlen aber sprechen eine deutliche Sprache. Nach dem zweiten Weltkrieg, als der ­Tabakanbau in der Schweiz seine Blütezeit hatte, waren es rund 6’000 Tabakbauern hierzulande. Seither sind die Zahlen drastisch gesunken. 2001 waren es gerade noch 357. Im 2013 sank die Zahl erstmals ­unter 200. «Und für dieses Jahr sind sogar nur noch 166 gemeldet», weiss Alber.

Eine zeitintensive Arbeit

Einer von ihnen ist Emil Bächler, Landwirt aus Muri und Präsident der Tabakpflanzenvereinigung Luzern/Aargau. Auf insgesamt 120 Aren baut er Burley-­Tabak an. Zwischen 2’400 bis 3’100 Kilo jährlich fährt er als Ernte ein. «Der Tabak sichert unserem Betrieb das Überleben. Heute und vor 35 Jahren.» Damals übernahm er den elterlichen Betrieb, «ein kleiner Bauernhof ohne Existenzgrundlage», wie er es ­heute ­beschreibt. Für den Fortbestand suchte er ein Nischen­produkt, das ohne grosse Investition angebaut werden konnte. «Da war die Tabakpflanze perfekt!» Da ist aber noch mehr. Es sei auch eine Leidenschaft, die anspruchsvolle Arbeit bis zum Endprodukt mache Freude, sei eine schöne Herausforderung, die einiges an Erfahrung brauche, sagt Bächler. Tabak sei zwar ­arbeitsintensiv, rund 1’000 Handarbeitsstunden pro Hektar Tabak brauche es. Das alles verteile sich aber über zwei Drittel des ganzen Jahres, ohne extremen Spitzenanfall. «Die Arbeit lässt sich gut bewerkstelligen, aber auch nur unter familiärer Mithilfe», erklärt Bächler. So bleibe aber ein grosser Teil des Erlöses auf dem Betrieb, was ein grosser Vorteil gegenüber anderen Anbaukulturen sei. Die Alternative wäre nebst dem Bauernbetrieb noch einen Nebenjob zu haben. «Ich möchte aber meine Zeit in den Hof investieren», sagt Bächler.

Schweizer Tabakpflanzer: Vom Aussterben bedroht?

Diese Vorteile ziehen heute nur noch selten. Das kann daran liegen, dass immer seltener mehrere Generationen einer Familie zusammen auf einem Hof anpacken. Oder auch daran, dass es inzwischen eine grössere Anzahl von Nischenprodukten gibt, mit denen sich auch kleinere Betriebe über Wasser halten können. ­Sicher ist, dass im Tabakanbau vor allem der Nachwuchs fehlt. Emil Bächler sieht die Probleme des ­Tabakanbaus aber auch in den Preisen für den Schweizer Tabak, die seit 20 Jahren nicht mehr erhöht ­wurden. «Vielleicht würden zu höheren Preisen wieder mehr anbauen», sagt er. Das Problem: Es ist nicht mehr Geld vorhanden.

Schwierige Preisgestaltung

Um die Preisgestaltung im Schweizer Tabakanbau zu verstehen, muss man tief in das System eintauchen. Die Grundlage bildet das Schweizer Tabaksteuergesetz und die dazugehörigen Verordnungen. Darin ist auch geregelt, dass auf jedes in der Schweiz verkaufte Tabakprodukt ein kleiner Anteil in den Finanzierungsfonds für den Inlandtabak gelangt, der von der Sota verwaltet und von der Oberzolldirektion kontrolliert wird. Pro Zigarettenpack fliessen 2,6 Rappen in diesen Fonds. «Aber auch auf Feinschnitt- oder Wasserpfeifentabak gibt es eine entsprechende Abgabe», erklärt der Sota-Generalsekretär Gernot-Viktor Alber. Parallel dazu fliesst derselbe Betrag in den Tabakpräventionsfonds. Die im Finanzierungsfonds für den Inlandtabak vorhandenen Mittel setzt die Sota anschliessend ein, um den Bauern für ihren Tabak die Differenz zum eigentlichen Marktpreis zu zahlen. Diese entspricht ungefähr zwei Drittel des bezahlten Preises. Das restliche Drittel, mehr oder weniger der Weltmarktpreis, wird von den Abnehmern bezahlt. Diese sind gesetzlich verpflichtet, jährlich entsprechend ihrem Marktanteil, die gesamte Ernte des Schweizer Tabaks abzunehmen. «Darunter befinden sich alle grossen Schweizer Zigarettenhersteller aber auch kleinere Abnehmer, wie beispielsweise die Tabakfabrik Roth, welche alle ihre eigenen Produkte aus Schweizer Tabak herstellt», erklärt Alber.

«Ohne diese Struktur würde es den Schweizer Tabakanbau bereits heute schon nicht mehr geben», ist Alber überzeugt. Denn die Schweizer Tabakbauern könnten mit ihren Produktionskosten niemals mit dem Marktpreis mithalten. Nun aber scheint auch dieses System an seine Grenzen zu stossen. Denn der Höchstpreis, für den der Tabak den Bauern abgekauft wird, ist in der «Verordnung über die Produzenten- und Fabrikantenpreise für Inlandtabak» auf 17.40 Franken festgelegt, aufgeteilt nach Qualitätsklassen. So konnte in den letzten Jahren jeweils ein Durchschnittspreis von über 16 Franken bezahlt werden. Eine Anpassung des Höchstpreises ist jedoch nicht vorgesehen, da politisch schwierig durchsetzbar. Und auch die Mittel wären begrenzt. Denn entscheidend ist auch die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel im Finanzierungsfonds der Sota. Je weniger Einnahmen der Fonds erhält, desto weniger Ausschüttungen sind möglich. Und mit den sinkenden Umsatzzahlen beim Tabak in den letzten Jahren sank auch der Inhalt des Fonds. Etwas aufgefangen werden konnte dieser Einnahmenrückgang bisher mit dem gleichzeitigen Rückgang der Anzahl Pflanzer. Da die Preise pro Qualitätsklasse gesetzlich fixiert sind und nicht angepasst werden können, stützt man das System aber auch mit Flächen- und Mengenkontingenten. Über die für die nächste Ernte zur Verfügung stehenden Geldmittel einigen sich SwissTabac, die Vereinigung der Tabakpflanzer, und die Sota jeweils vor dem Erntejahr.

Müsste der Schweizer Tabakanbau durch höhere Abgaben auf Tabak mehr unterstützt werden, wäre das vielleicht sogar seine einzige Rettung? «Auch das sind politische Diskussionen, zu denen wir keine Stellung nehmen können», erklärt Alber. Trotzdem gibt er zu, dass es schade wäre um eine über 300 Jahre alte Tradition. Und auch um den Schweizer Tabak. Gleicher Meinung ist auch Tabakbauer Emil Bächler. Und wohl auch die Schweizer Produzenten und Abnehmer des Tabaks. Denn: «Als Zwischenlösung ist die abnehmende Industrie nun auf die Bauern zugekommen», erklärt Gernot-Viktor Alber. Für die Jahre 2015 bis 2019 haben die drei grössten Abnehmer jährlich eine Million zusätzliche Mittel gesprochen. Verteilt wird dies einerseits mit 30 Franken pro Are Anbaufläche für kleinere Betriebe bis höchstens 3 Hektaren. Andererseits erhalten alle Bauern zusätzlich maximal 60 Rappen pro Kilogramm Tabak, sofern gewisse ­Anforderungen der Industrie eingehalten werden. «Dazu gehören Punkte wie zum Beispiel Betriebssicherheit oder die korrekte Lagerung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln», so Alber. Wie es aber nach 2019 weitergehen soll, ist vielen unklar. Gut möglich, dass die derzeitigen Schweizer Tabakbauern deshalb trotz allem Optimismus zu den letzten ihrer Art gehören.

Liegt es an der Tabakqualität? Jein!

Schweizer Tabak kommt vor allem in der Zigarettenindustrie als Fülltabak zum Einsatz, aber auch für Pfeifen- und Drehtabak. Angebaut werden zwei verschiedene Tabaktypen, Burley und Virgin. Während der Burley hierzulande eine lange Tradition hat, baut man Virgin erst seit 1992 in der Schweiz an. «Dieser fand den Weg in die Schweiz auch, weil Anbau und Mechanisierung einfacher zu bewerkstelligen sind als beim Burley», erzählt Gernot-Viktor Alber von der Sota, die auch für das Saatgut zuständig ist. Dies hängt unter anderem auch mit dem Trocknungsverfahren zusammen. Während Burley an der Luft getrocknet wird, kommt Virgin in den Ofen.

Weniger Aufwand für einen fast gesicherten Preis: Wieso steigen nicht mehr Tabakpflanzer auf Virgin um? Schliesslich macht der Burley-Tabak heute noch immer rund 80 Prozent des gesamten Anbaus aus. Und das soll auch so bleiben, geht es nach den Schweizer Tabakverarbeitern. Grund dafür ist die teilweise umstrittene Qualität des Schweizer Virgin-Tabaks. Während der Burley-Tabak aus der Schweiz gut mit ähnlichen Qualitäten von Burley-Tabak aus anderen Ländern mithalten kann, stimme das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Virgin nur bedingt, erklärt Gernot-­Viktor Alber. Die Schweizer Tabakverarbeiter sind trotzdem bereit, auch Virgin-Tabak im bisherigen Umfang zu übernehmen, eine Ausdehnung steht jedoch nicht zur Diskussion.

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